An die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Planung und Stadtentwicklung der Ratsversammlung,
an Herrn Oberbürgermeister Dr. Geyer, Herrn Bürgermeister Brüggemann, Herrn Jonas Römer (Abteilung Stadt- und Landschaftsplanung), Rathausplatz 1

Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg, den 26.9.2024
c/o Günter Strempel und Christiane Schmitz-Strempel
Tiesholz 1
24941 Flensburg


Sehr geehrte Damen und Herren,
in der letzten Zeit gab es Hinweise darauf, dass die Stadt an einer neuen Bauleitplanung für eine Bebauung des südlichen Bereichs der Bahnhofstraße arbeitet. Wir nehmen das zum Anlass, unsere Position hierzu deutlich zu formulieren. Zugleich halten wir es für notwendig, Sie als die Verantwortlichen vor einer erneuten Fehlplanung zu warnen.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig (OVG) vom 26.Mai 2023 (Az.: 1 MB 13/22 8 B 54/22) hat unmissverständlich klargestellt, dass der B-Plan 303 Hauptpost von Anfang an „voraussichtlich rechtswidrig“ (OVG) war. Damit verliert die Baugenehmigung für das Hotel ihre Rechtsgrundlage, und es ist offensichtlich, dass auch die Abholzung vom 19. Februar 2021 rechtswidrig erfolgte. Wiedergutzumachen ist das nur, indem das Gebiet wieder aufgeforstet und die Quelle, die durch die Investoren am 14.Juli 2022 illegal abgebaggert wurde, renaturiert wird. Schon der Aufstellungsbeschluss für diesen Bereich war falsch, weil er die Schutzwürdigkeit dieses „offensichtlich sehr hochwertigen Naturraumes“ (OVG) ignorierte. Was die Zukunft betrifft, so können wir nur dringend davor warnen, die eine als rechtswidrig erkannte Bauleitplanung durch eine neue ebenfalls rechtsfehlerhafte „heilen“ zu wollen.
Herr Hansen, der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses, scheint das Dilemma zu erkennen, betont aber zugleich, unverändert bestehe der Gestaltungswille der Stadt. Zweifellos ist es Aufgabe der Kommunalpolitik, maßgeblich auf die Gestaltung von Stadträumen einzuwirken, doch das sollte mit Weitblick geschehen und vor allem mit Blick auf örtliche Besonderheiten. Was den Bahnhofswald betrifft, so ist offenkundig, dass hier von Anbeginn an Fehleinschätzungen vorlagen und nun zudem Entwicklungen eingetreten sind, die ein grundsätzliches Umdenken erforderlich machen.
Als der Bebauungsplan 2020 beschlossen wurde, war es der Wunsch der Stadt, durch den Bau des Hotels und des Parkhauses eine Aufwertung des Flensburger Bahnhofs zu erreichen und dadurch die Fahrgastzahlen zu erhöhen. Heute ist klar, dass dieses Ziel unerreichbar ist, denn der Flensburger Bahnhof verliert massiv an Bedeutung ganz unabhängig von der Gestaltung des Umfelds. Flensburg wird vom Fernverkehr praktisch vollständig abgehängt. Wenn die Stadt überhaupt noch eine Chance auf Anschluss an den Fernverkehr (auch hinüber nach Dänemark) haben sollte, dann mit einem Haltepunkt in Weiche, nicht am jetzigen Bahnhof.
Eine weitere Zielvorstellung war damals, in Bahnhofsnähe ein Tagungshotel zu errichten. Auch diese Idee ist mittlerweile überholt, denn seit Corona hat sich in weit höherem Maße als früher die Nutzung von Online-Konferenzen etabliert, so dass ein Tagungshotel keine wirtschaftliche Grundlage mehr hat. Sollte es allein um einen weiteren Hotelneubau gehen, so fänden sich in der Stadt sicher attraktivere Standorte als dieser in der Nähe eines vom Fernverkehr abgehängten Bahnhofs.
Schließlich ist da noch der alte Plan, den Bahnhof durch eine Bebauung der Bahnhofstraße optisch näher an die Innenstadt heranzurücken. Bahnreisenden sollte der Eindruck vermittelt werden, sie seien schon in der Innenstadt angekommen. Aber dieser Eindruck wäre ohnehin sofort verflogen, wenn sie zum eigentlichen Ziel, den Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen in der Innenstadt, 1 km weit wandern oder in einen Bus oder ein Taxi steigen müssen. Der Plan erscheint unrealistisch und als ein sehr schwaches Ziel, jedenfalls wenn es um die Frage geht, was mit dem Bahnhofswald geschehen soll. Angesichts veränderter Ausgangsbedingungen kann es heute nur eine Antwort geben: jegliche Baupläne in der südlichen Bahnhofstraße komplett fallen lassen! Denn:
Der Bahnhofswald steht exemplarisch für ein Stück Stadtnatur, das geschützt werden muss gerade auch mit Blick auf die zukünftige Lebensqualität der Menschen in Flensburg. Stadtplanung, die die existentielle Bedrohung durch den Klimawandel ernst nimmt, muss dessen Folgen im Blick haben und entsprechend handeln. Immer größeres Gewicht bekommt der Erhalt von artenreichen Naturflächen, Bäumen und besonders Waldflächen in Innenstadtnähe, der Schutz steiler Hänge durch die Wurzelwerke und Kronen von alten Bäumen, das Vermeiden von Versiegelung und die Entsiegelung von Flächen sowie das Freilegen von Wasserläufen. Im konkreten Fall bedeutet das: Der zerstörte Bereich am Bahnhofswald sollte wieder aufgeforstet und renaturiert sowie zusammen mit dem an dieser Stelle so wertvollen Wald und der Quelle dauerhaft unter Schutz gestellt werden.
Die Ratsversammlung hat in den letzten Jahren wertvolle Leitlinien beschlossen, die jetzt beachtet werden müssen: die „Leitlinien für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung in Flensburg“, die „Stadtentwicklungsstrategie Flensburg 2030“, und das „Konzept zur Klimawandelanpassung in Flensburg“. In all diesen Dokumenten finden sich dezidierte Aussagen, die hinsichtlich des Naturraums zwischen Bahnhofstraße und Schleswiger Straße nur einen Schluss zulassen: Es gilt ihn zu schützen und eben nicht zu bebauen.
Dass die Stadt sich an die von ihr selbst verabschiedeten – und teilweise unter ausgedehnter Bürgerbeteiligung entstandenen – Leitlinien hält, ist nicht zuletzt auch eine Frage der Glaubwürdigkeit demokratischer Beschlüsse.


Mit freundlichen Grüßen
für die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel
Günter Strempel Christiane Schmitz-Strempel


PS: Regressansprüche der Investoren, hervorgerufen durch den rechtsfehlerhaften Bebauungsplan, sind wohl unabweisbar. Allerdings: Können diese Zahlungen nicht an die Renaturierung der rechtswidrig zerstörten Flächen gebunden werden? Oder wird die Stadt mit ihrer Zahlung das Eigentum an den für die Investoren wertlos gewordenen Flächen erwerben und die Renaturierung selbst durchführen? Können die Forderungen der Investoren eventuell durch einen Grundstückstausch mit einer für die Investoren heute interessanteren Fläche erfüllt werden?