Presseerklärung der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburgvom 18.2.2022

Los ging es in den frühen Morgenstunden des 19. Februar 2021 – dem Jahrestag der Morde von Hanau, aber da galt keine Pietät: In einer Blitzaktion wurde das Baugelände umzäunt, die Investoren und in der Folge auch die Verwaltung ließen die besetzten Bäume am Bahnhofswald räumen und eine große Fläche mit Hunderten von Bäumen abholzen. Die Geschehnisse, die begleitet wurden von einem der größten Polizeieinsätze in der jüngeren Geschichte Flensburgs, führten zu einem Trauma für die Stadtgesellschaft, das bis heute fortwirkt.

Rückblickend auf die damaligen Ereignisse ergibt sich ein düsteres Bild – nicht nur was das Vorgehen der Investoren betrifft: die JARA-Immobilien mit der Huazhu-Gruppe im Hintergrund. Auch das Verhalten der Stadtverwaltung erscheint aufgrund inzwischen bekannt gewordener Sachverhalte als skandalös. Alles deutet darauf hin, dass diese Aktion lange vorbereitet war.

Noch am Vortag wurden der Oberbürgermeisterin in der Ratsversammlung gezielte Fragen nach möglichen Baumfällungen gestellt. Die Antworten der Oberbürgermeisterin ließen in keiner Weise erkennen, dass die Genehmigungsfrist für das Fällen von Bäumen, die Fledermäuse tragen könnten, schon am 5. Februar heimlich bis Ende Februar verlängert worden war.

Zudem: Anders als in der Öffentlichkeit dargestellt hatte Simone Lange persönlich und gegen den skeptischen Widerstand des Gesundheitsministers Garg gerade für die Woche vom 15. – 21. Februar eine nächtliche Ausgangssperre für Flensburg durchgesetzt; damit schuf man sich gezielt einen Vorwand für die Räumung der Baumhäuser. Der Großeinsatz von 500 aus drei Bundesländern zusammengezogenen Polizistinnen brachte zweifellos ein höheres Verbreitungsrisiko von Corona-Viren mit sich als die friedlich in ihren Baumhäusern schlafenden Besetzerinnen. Dieser Polizeieinsatz muss längerfristig geplant gewesen sein: Eine so große Zahl von Polizisten in Hotels unterzubringen – die ja eigentlich weitgehend geschlossen waren und extra hochgefahren werden mussten – ist keine spontane Entscheidung mit wenigen Stunden Vorlauf.

Es stellt sich die Frage, ob man diese nur als Vorwand dienende Ausgangssperre, die ja für tausende Flensburger ein Einsperren in ihren Häusern bedeutete, nicht als Machtmissbrauch der Oberbürgermeisterin ansehen muss.

Die Investoren ihrerseits hatten im Vorfeld enormen Druck gemacht und gedroht, das ganze Bauprojekt sei gestorben, wenn nicht noch im Februar geräumt, gerodet und der Bau in Gang kommen würde. Damit begründeten sie dann auch ihren Akt der Selbstjustiz. Heute sehen wir, dass auch das nicht der Wahrheit entsprach: Schon ein ganzes Jahr lang geschieht auf dem gerodeten Gelände NICHTS!
Es liegt als Schandfleck verwahrlost und hässlich herum, und man fragt sich, was die Eile eigentlich sollte. Nicht einmal eine Ankündigung „Hier baut …“ ist da zu sehen.

Es kann nicht gebaut werden, denn die rechtliche Situation ist ungeklärt. Mit zwei Klagen greift der BUND die Waldumwandlung, die Baugenehmigung für das Hotel und immanent auch den Bebauungsplan an. So etwas kommt dabei heraus, wenn schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans die Einwände der Bürgerinnen nicht ernst genommen werden.

Was ist daraus zu lernen?

  1. Unehrlichkeit im Umgang mit den Bürgern lohnt sich nicht – führt nur zu verstärktem Widerstand.
  2. Die Verwaltung muss herunter von ihrer Vorstellung, sowieso immer Recht zu haben und ihre Planung durchsetzen zu müssen – gebraucht wird echte Beteiligung und Einfluss der Bürgerinnen.
  3. Naturschutz muss einen viel viel höheren Stellenwert in der Stadtplanung bekommen.
  4. Die Bahnhofstruktur in Flensburg muss neu überdacht werden. Die Stadt braucht einen Fernbahnhof in Weiche statt der Zentralisierung der Infrastruktur am vorhandenen Bahnhof. Letzteres hat sich als Irrweg erwiesen, der nur dazu führt, Flensburg vom Fernverkehr abzukoppeln und im Bahnhofstal massive Planungsfehler zu begehen.

Die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg wird sich mit Veranstaltungen und Aktionen weiterhin dafür einsetzen, dass der immer noch bestehende Bahnhofswald erhalten bleibt und die Natur auf dem gerodeten Gelände wieder die Oberhand gewinnt.

Der Jahrestag wird öffentlich begangen mit einer Gedenkveranstaltung im Carlisle-Park am Sonnabend, den 19.2.22 ab 14 Uhr. An einer gemeinschaftlichen friedlichen Aktion können sich alle Interessierten beteiligen. Es gibt musikalische Beiträge und Reden. Schon am Freitag ist eine Prozession durch die Innenstadt zum Rathaus geplant, wo eine Jahresgabe übergeben werden soll, ein für diesen Anlass geschaffenes Objekt der Künstlerin Frauke Gloyer.

Die Sprecher*innen der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel
Christiane Schmitz-Strempel, Günter Strempel