Ein Gericht spricht Klartext – Sie aber schweigen!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Geyer, sehr geehrte Frau Takla-Zehrfeld,
sehr geehrte Mitglieder der Flensburger Ratsversammlung, die Auseinandersetzung um den Bahnhofswald beschäftigt und entzweit die Flensburger Stadtgesellschaft seit Jahren. Nun hat das Schleswiger Oberverwaltungsgericht mit seinem Beschluss vom 19.05.23 einen entscheidenden Wendepunkt markiert. Kaum jemand konnte damit rechnen, dass das OVG eine Beschwerde der Stadt Flensburg und der Investoren derart deutlich zurückweisen würde. Besagte Beschwerde richtete sich gegen den vom Verwaltungsgericht im Juli letzten Jahres verhängten Baustopp für das geplante Bahnhofshotel. Das OVG bestätigte nicht nur die Entscheidung der untergeordneten Instanz, es erklärte darüber hinaus den dem Gesamtprojekt zugrundeliegenden Bebauungsplan für „voraussichtlich rechtswidrig“. Und damit nicht genug: In aller Ausführlichkeit nennen die Richter die Gründe für ihre „durchgreifenden Zweifel“ an der Zulässigkeit jenes B-Plans. Nur die entscheidenden Stichpunkte seien hier genannt:

  • Verstoß gegen den gesetzlichen Biotopschutz
  • Vernachlässigung des Artenschutzes
  • Missachtung von deutlichen Hinweisen auf die Existenz einer Quelle und eines Quellgebietes
  • fehlende, bzw. unzureichende Abwägung des Interesses an der Errichtung eines Hotels und Parkhauses einerseits und andererseits dem Interesse an dem Erhalt eines „offensichtlich sehr hochwertigen Naturraums“

Dass eine derart resolute Zurechtweisung von Seiten des Gerichts der unterlegenen Seite weh tun muss, ist nachvollziehbar, ja sie mag sogar eine temporäre Sprachlosigkeit hervorrufen. Allerspätestens jetzt aber scheint es uns an der Zeit, dass die Ratsversammlung wie auch die Stadtverwaltung aus der Deckung kommen. Einwohnerinnen und Einwohner haben ein Recht endlich zu erfahren, wie es weitergehen soll mit dem Flensburger Bahnhofswald. Bisher hat die Öffentlichkeit nicht mehr zu hören bekommen als eine erschreckend hilflos wirkende Erklärung des Stadtsprechers Teschendorf (s. Flensborg Avis v. 31.05.23). Demnach könne nun nach diesem Beschluss „die bestehende Baugenehmigung nicht ausgenutzt werden. … Gegebenenfalls müsse der Bebauungsplan an die aktuellen Erfordernisse des OVG angepasst werden.“ Wir empfehlen dringend eine wiederholte Lektüre des umfänglichen Gerichtsbeschlusses. Dann werden auch die Verantwortlichen im Flensburger Rathaus einsehen müssen, dass es da rein gar nichts mehr zu heilen gibt. Denn nicht nur dem Projekt Bahnhofshotel und Parkhaus hat das Gericht eine umfassende Absage verpasst. Nach diesen richterlichen Ausführungen erscheint es aussichtslos, auf dem Gelände überhaupt noch irgendein Bauvorhaben durchzubringen. Was wir uns wünschen: dass die Stadt Flensburg den Mut aufbringt, endlich einen Schlussstrich zu ziehen, einen Schlussstrich unter ein Bauprojekt, das von Anfang an auf einer Fehlplanung beruhte.

Ziemlich genau vor drei Jahren am 25.Juni 2020 fasste die Ratsversammlung jenen verhängnisvollen Beschluss, der den Investoren den Weg freimachen sollte zum Bau von Hotel und Parkhaus. Die Entscheidung fiel nach langem Ringen, sie wurde getroffen gegen starken Widerstand, gegen unzählige Einwände von Naturverbänden und einzelnen Bürgerinnen und Bürgern. Jetzt, drei Jahre später, ist es an der Zeit, den Fehler von damals zu korrigieren.

Wer heute einen Blick auf das infolge jenes Beschlusses schwer beschädigte Areal wirft, sieht zunächst einen komplett verwahrlosten und verbogenen Bauzaun. Dahinter aber eine Fläche, auf der die Natur auch in diesem Frühjahr wieder kräftig dabei ist, sich ihren Platz zurückzuerobern. Und wer noch genauer hinsieht, erkennt deutlich, dass trotz langanhaltender Trockenheit die Quelle, deren Existenz so lange bestritten wurde, weiterhin unablässig Wasser zu Tage fördert.

Gewiss, die Stadt Flensburg könnte weiterhin den Kopf in den Sand stecken und die Vogel-Strauß-Taktik verfolgen. Sie würde dann die immer noch ausstehende Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht Schleswig abwarten. Die Hoffnung aber, dabei einen für sie und die Investoren positiven Ausgang zu erreichen, dürfte heute bereits gegen null tendieren, denn das untergeordnete Gericht wird der so deutlichen Einschätzung des OVG wohl kaum widersprechen. Zweifellos aber würde solch ein Aussitzen stetig steigende Kosten verursachen, wobei die zu erwartenden Gerichtskosten kaum ins Gewicht fallen dürften, viel mehr aber die Regressforderungen der Herren Investoren.

Fazit: Bitte geben Sie sich einen Ruck! Beenden Sie das Trauerspiel um den Bahnhofswald! Sorgen Sie dafür, dass das wertvolle Biotop wieder auflebt, und renaturieren Sie die wertvolle Quelle!


Mit freundlichen Grüßen
für die BI Bahnhofsviertel Flensburg
Christiane Schmitz-Strempel und Günter Strempel