Das war ein echter Paukenschlag!

Damit hat im Flensburger Rathaus niemand gerechnet: dass das Oberverwaltungsgericht den vorläufigen Baustopp am Bahnhofswald nicht nur bestätigt, sondern auch gleich die Baugenehmigung und den ganzen Bebauungsplan 303 Hauptpost für „voraussichtlich rechtswidrig“ erklären könnte. Dies geschah nach einer „inzidenten“ und überraschend gründlichen Prüfung sämtlicher Unterlagen der Stadt zu den Planungen. Und das Urteil erging nicht etwa wegen formaler Fehler, die sich leicht heilen ließen, sondern weil der B-Plan nach Auffassung des Gerichts den Biotopschutz und den Artenschutz missachtet, und weil es „nicht nachvollziehbar“ sei, warum die Stadt die privaten Interessen eines Investors am Bau eines Hotels und Parkhauses für gewichtiger halte als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des kleinen innerstädtischen Waldes. Dieser habe schließlich hohe ökologischen Bedeutung für im Stadtgebiet seltene Brutvögel und streng geschützte Fledermäuse. Die Stadt hätte den Hinweisen der Bevölkerung auf das Vorhandensein einer oder gar mehrerer Quellen im Baugebiet gründlich nachgehen müssen, bevor der B-Plan beschlossen wurde, hier spricht das Gericht von einem Abwägungs-Totalausfall. Wow!!!

Dieses Urteil erging im vorläufigen Verfahren, und das Gericht betont mehrfach, dass es die Prüfung
summarisch und vorläufig durchführen musste; aber es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, in welche Richtung das Obergericht denkt. Deshalb ist es kaum vorstellbar, dass das untergeordnete Verwaltungsgericht Schleswig im Hauptsacheverfahren von dieser Grundlinie abweichen könnte.
Auch wenn der Schlusspunkt noch nicht gesetzt ist, so ist mit dieser Entscheidung doch klar: Es wird
am Bahnhofswald kein Hotel und kein Parkhaus gebaut werden! Alle Planung war vergebens, alle
Investitionen der JARA Immobilien sind verlorenes Geld.

Wie konnte es so weit kommen? Wir haben immer wieder darauf hingewiesen: In der gesamten
Planung wurde der Naturschutz missachtet! Ebenso wie die diesbezüglichen Einwendungen von uns, von der Unteren Naturschutzbehörde, von allen Umweltverbänden und vom Naturschutzbeirat; sie wurden mit nicht schlüssigen, teilweise falschen oder widersprüchlichen Äußerungen abgewimmelt.
Man wollte sie nicht hören!! Sie wurden als Störung betrachtet beim Versuch, eine
investorenfreundliche Planung durchzuziehen.

Das war rechtswidrig! Nicht die Baumbesetzer waren im Unrecht, sondern diejenigen, die mit
Selbstjustiz und dann mit massivstem Polizeiaufgebot mitten in der Corona-Welle die Rodung eines Teils des Wäldchens durchgesetzt haben. Erst recht diejenigen, die den Quellbereich abbaggern ließen, bevor er gutachterlich untersucht werden konnte. Die deutsche Rechtsordnung, so hat das Oberverwaltungsgericht klargestellt, räumt dem Natur- und Biotopschutz eine weit höhere Bedeutung ein als die Flensburger Verwaltung und Ratsmehrheit – einschließlich der Grünen-Fraktion(!). Die deutsche Rechtsordnung meint es ernst, wenn sie festlegt, dass bestimmte Maßnahmen „verboten“ sind – daran hat sich die Stadtplanung zu halten und muss vorab gründlich untersuchen,
ob solche Verbote berührt sind. Da reichen interessengeleitete Stellungnahmen ohne gezielte
Untersuchung der vermuteten Quellen eben nicht, und Hinweise aus der Bürgerschaft sind ernst zu
nehmen.

Diese Erkenntnis muss künftig allen Planungen der Stadt zugrunde liegen: Der Naturschutz hat einen
viel höheren Stellenwert als bisher gedacht! Und Hinweise aus der Bürgerschaft sind mit Interesse
und Aufrichtigkeit aufzunehmen.

Was wird jetzt aus dem teilweise zerstörten Gebiet?

Wir sind gespannt! JARA Immobilien hat es erworben, um es ökonomisch verwerten zu können. Das geht jetzt nicht mehr. Möglicherweise will die Firma es loswerden; aber egal, wer der Eigentümer am Ende wird, die Schäden sollten unbedingt, so gut es geht, repariert werden: Die Fläche muss wieder aufgeforstet werden mit Laubbäumen, wie es war, und der Sickerquelle muss Zeit gegeben werden sich zu regenerieren. Zudem sollte auch der verrohrte Bach, der da mal entsprang, wieder offen gelegt und renaturiert werden. Das gesamte Gelände muss in einem neuen Flächennutzungsplan als Wald eingetragen und dauerhaft gesichert werden und zwar in einer Form, die eine nochmalige Abholzung nicht zulässt. So wird der Wald als Wild-Biotop dauerhaft erhalten: für die Vögel und Fledermäuse, für Waldkauz und Wiesel – und zur Verbesserung der Klimaresilienz für die Menschen in der Umgebung.

Helmreich Eberlein